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Christian Falsnaes

*1980 in Kopenhagen, Dänemark
Lebt und arbeitet in Berlin

Front, 2014/2023

Performance, Sprühfarbe, OSB-Platten auf Holzkonstruktion
ca. 300 x 1500 cm
Courtesy PSM Galerie, Berlin



Die Performance „Front“ des dänischen Künstlers Christian Falsnaes kann als Drama in drei Akten verstanden werden. Die Installation, die als Bühne für die Performance fungiert, setzt sich aus zwei Holzgestellen zusammen. Das eine, mit weißen OSB-Platten überdeckt, das andere als leeres Gestell. Christian Falsnaes
(Foto: Christian Falsnaes, Courtesy PSM, Berlin)

Im ersten Akt, der Schöpfung, wird das Publikum der Performance dazu aufgefordert – angeleitet von den Anweisungen des Künstlers – die blanken Panels zu bemalen. Dazu werden meist Spraydosen verwendet, die auf Christian Falsnaes vorangegangene Tätigkeit als Graffiti-Künstler verweisen. Auf die nun besprühten Platten folgt der Moment der Dekonstruktion bzw. der Zerstörung. Das Publikum – nun Teil der Performance – wird dazu aufgefordert, mit Sägen und Hämmern das zu zerstören, was sie selbst zuvor kreiert haben. Das Kunstwerk wird abgerissen und zerstückelt. Daran anschließend eröffnet sich die Reparatur, der Schlussakt der Performance. Die Stücke der Panels und des Holzgestells werden von den Akteur*innen aufgehoben und im kahlen, unberührten, zweiten Holzgestell neu arrangiert und befestigt. Es entsteht eine neue Skulptur anders und doch ähnlich der Ursprungsinstallation. Von der Arbeit „Front“ bleibt nicht nur die Performance, sondern dessen Video-Aufnahme sowie die dabei geschaffene Skulptur.

Es stellt sich die Frage der Autorschaft und was das Kunstwerk genau ausmacht. Ist es die von dem Publikum geschaffene Skulptur oder ist es die Gesamtheit der Performance? Gibt Falsnaes die eigene Rolle als Künstler dem Publikum weiter?

Diese Wechselwirkung zwischen Künstler, Publikum und Kunstwerk beeinflusst die Wahrnehmung des Geschehnisses. Wenn das Kunstwerk in seiner Gesamtheit begriffen wird, ist Falsnaes dessen Künstler, indem er die Bedingungen für dessen Ausführung legt und diese auch moderiert? Oder ist „Front“ dem Publikum zuschreibbar, da es die Skulptur in all ihren unterschiedlichen Formen bestimmt? Es werden nicht nur die Rollen zwischen Künstler und Publikum umgewälzt, sondern auch die zwischen Beobachtenden und Kunstwerk umgekehrt: die Zuschauer*innen dürfen das Kunstwerk nicht nur anfassen und zerstören, sondern sie gestalten auch dessen Entstehungsprozess.

Dem sich nähernd ist möglicherweise die Veranschaulichung der Beteiligung von Falsnaes an der Performance aufschlussreich. Dieser versetzt sich in die Rolle des Moderators, indem er dem Publikum Anweisungen gibt und somit zum Regisseur seines eigenen Kunstwerkes wird. Den einzelnen Akteur*innen wird vorgegeben, welchen Abschnitt von den Panels sie einnehmen sollen, was sie fühlen sollen (“feel the crowd”) und sogar wie das Individuum denken soll (“forget everything about painting”). Dem Rest des Publikums gibt Falsnaes an, euphorisches Verhalten zu äußern. Somit werden die Aktionen von einem Teil der Zuschauenden durch das Unisono von Jubeln und Klatschen des restlichen Publikums unterstützt. Es herrscht eine Spektakel-Atmosphäre, die die Beobachter*innen dazu anregt, die Beziehung zwischen der Gruppe und dem Individuum zu überdenken.

Dieses Machtverhältnis, das in der Beziehung zwischen Publikum und Künstler zum Vorschein kommt, greift Falsnaes in unterschiedlichen Performances auf und stellt es auch auf den Prüfstand. Demnach wurde „Front“ 2015 von der Choreografin und Performerin Kareth Schaffer adaptiert. Hier wird die Frage aufgeworfen, inwiefern sich das Verhältnis wandelt, wenn eine Frau die Rolle von Falsnaes einnimmt.

Zuletzt lassen sich die in der Performance ausgewiesenen Machtdynamiken mit dem Spannungsfeld der Kreation und Dekonstruktion zusammenführen. Hierbei wird der Akt des Zerstörens nicht als etwas Negatives aufgefasst, sondern als etwas Positives, da daraus Neues entspringt. Werden hier Methoden der Reformierung von Machtverhältnissen sowie des Status quo erprobt? Kann Neues nur aus der Beseitigung des vorherigen Zustandes entspringen?

(E.T)

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