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Vera Kox

*1984 in Frankfurt
Lebt und arbeitet in Berlin und Luxemburg

…into the peripheral, reflecting, 2022

glasierte Keramik, Stahlträger gestrichen
Keramik: 97 x 160 x 67 cm,
Stahlträger: 30 x 905 x 30 cm
Leihgabe der Künstlerin



Vera Kox erforscht in ihren Arbeiten das Wesen der Skulptur und bezieht die Umwelt als gleichberechtigten Teil ihrer künstlerischen Erzählung mit ein. Vera Kox
(Foto: David von Becker, Berlin © VG Bild-Kunst, Bonn 2023)

Dabei verhandelt sie Gegensätze und Gemeinsamkeiten, wie sie auch in dem Werk „...into the peripheral, reflecting“ (2022) zum Ausdruck kommen. Während sich die Skulptur zuvor in einen sumpfigen Bereich am Rande des ehemaligen luxemburgischen Erzabbaugebiets ‘Minette‘ einfügte, nähert sie sich nun für die Skulpturen-Triennale dem fließenden Gewässer des Rheins. Die Arbeit schließt an eine Ecke der Bingener Uferbefestigungen an, wo das Wasser ein Mal mehr zum integralen Bestandteil der ortspezifischen Skulptur wird.

Ein signalgelber Stahlträger liegt quer über dem Ufer des Rheins. Darauf verweilt eine fleischige, amorphe Skulptur die im Kontrast zur starren, geometrischen Form des Bauteils steht. Was organisch und weich erscheint, entpuppt sich jedoch als fragil und fest. Es handelt sich um ein Gebilde aus keramischen Reliefs, denen eine obskure Wesenhaftigkeit innezuwohnen scheint.

Vera Kox reflektiert in diesem Werk die Geschichte und das Vermächtnis ihrer Heimatstadt Esch an der Alzette in Luxembourg. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die zweitgrößte Stadt des Landes zu einem der europäischen Zentren der Stahlproduktion. Dieser Status endete abrupt im Zuge der Stahlkrise in den 1970er und 80er Jahren und führte zur Schließung zahlreicher Produktionsstätten. Zurück blieb ein Stadtbild, das heute von postindustriellen Bauten geprägt ist und dessen Landschaft durch den industriellen Abbau von Eisenerz durchzogen ist.

Während der Zeit der Aufklärung entwickelte sich die Vorstellung, der Mensch sei nicht nur von der Natur losgelöst, sondern ihr gar überlegen. Diesem Selbstverständnis der Abgrenzung von Mensch und Umwelt setzt Kox das Konzept des Hydrofeminismus entgegen. Der Begriff stammt von der Theoretikerin Astrida Neimanis und verhandelt weit mehr als die Erkenntnis, dass wir zu mehr als 80% aus Wasser bestehen. Ausgehend vom Element Wasser vertieft sie das ökologische Denken um eine symbiotische Weltanschauung und wechselseitige Abhängigkeit, die die Verflechtung zwischen den Arten und Ökosystemen der Erde betont.

Durch die Verschmelzung von Gegensätzen – wie natürlich und künstlich, fest und weich, lebendig und unbelebt– verweist die skulpturale Installation am Rheinufer auf eine alternative Sichtweise zum Status Quo. Der vermeintliche Kontrast zwischen Kunstwerk und Landschaft weicht einer symbiotischen Beziehung zwischen Kultur und Umwelt und schafft ein zeitgenössisches Fossil unserer menschengemachten Lebensrealität.

Im Aufzeigen eines Szenarios nach dem Ende der Menschheit, in dem industrielle Überbleibsel ein Eigenleben entwickelt haben, ist das Werk zugleich postindustrielles Relikt, futuristischer Entwurf und Gegenwartszeugnis der Menschheit.

(N.G)

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