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Emma Jääskeläinen

*1988 in Espoo, Finnland
Lebt und arbeitet in Espoo, Finnland

Cloud Number Nine, 2021

Hermelin Marmor, Metall
45 x 75 x 96 cm
Courtesy PSM Galerie, Berlin



Stein ist für die Bildhauerin Emma Jääskeläinen nicht nur Material, sondern viel mehr Kollaborateur. Mit jeder neuen Steinsorte entsteht eine Zusammenarbeit und eine neue Art der Bildhauerei. Denn jeder Stein bringt seine eigenen Qualitäten, Eigenarten und Probleme mit sich. Von ihrer Intuition geleitet, lernt die finnische Künstlerin im Herantasten und der Auseinandersetzung immer mehr über das Material und lässt sich von diesem führen. Oft ist es eine durchaus körperliche Arbeit, denn das harte Material zu formen ist ein schweißtreibender Akt. Manchmal "wehrt" sich der Stein, manchmal nimmt er den Meißel bereitwillig auf und "biegt" sich sanft in die ihm vorgeschlagene Form. Emma Jääskeläinen
(Foto: David von Becker, Berlin)

Es entstehen Skulpturen, die zwar schwer und massiv sind, jedoch nie monumental oder überwältigend wirken. Das liegt unter anderem an den Oberflächen, die Jääskeläinen so präzise und sorgsam bearbeitet, dass sie lebendig wie Haut oder Fell erscheinen.

Die Formen und Oberflächen ihres Werkes sind inspiriert vom menschlichen Körper, Berührung, Sensibilität und Fürsorge. Sie stammen aus Überlegungen, was Körperlichkeit ausmacht, welche Gefahren und Potentiale darin lauern. Diese Beschäftigung gibt der Künstlerin die Formen, an denen sie sich mit unterschiedlichsten Steinsorten abarbeitet. So auch die ausgestreckte Hand, welche mit Bedeutung aufgeladen ist. Sie steht für Tatkraft und Handlung, Schaffenskraft und Veränderung. Doch der feste Hermelin Marmor von „Cloud Number Nine“ wirkt weich und die Form wie eine Wolke, die einem Cartoon entnommen wurde. Als Symbol der Fürsorge wird die Hand so noch verstärkt. Man will sich in die zarte, bauschige Form reinsetzen, würden nicht vier filigrane, metallene Saiten zwischen dem runden Daumen und Ringfinger der Skulptur gespannt sein. Während man noch zurückschreckt, stellt sich die Frage, was die vier Saiten dort zu suchen haben. Und warum sind sie aus den so unterschiedlichen Metallen Kupfer, Eisen und Stahl?

Musik spielt in Jääskeläinens künstlerischer Praxis eine besondere Rolle. Bei der Entwicklung und Produktion ihrer Arbeiten hört sie Musik, lässt sich von dieser inspirieren und arbeitet sie in die Skulpturen ein. Wenn sie im Werktitel Bryan Adams 1998 veröffentlichten, gleichnamigen Song zitiert, ruft sie mit der skulpturalen Hand eine Wolke der Zuneigung, Liebe und Fürsorge hervor. Dass die mit Wolke 7 zu übersetzende Skulptur selbst zum Musik spielen einlädt, hat wiederum mit ihrer Familiengeschichte zu tun. Denn Jääskeläinens Großvater war selbst ein bekannter Instrumentenbauer des finnischen Saiteninstruments Kantele.

Wie im Falle von „Cloud Number Nine“, arbeitet die Künstlerin oft mit sogenannten Add-ons, Materialien, die sie auf Reisen gesammelt hat, sowie in Supermärkten gekauften Readymades, wie Muscheln, Ohrstöpsel, Chilis, Kaugummi oder Mützen von Fast-Food-Ketten. Kleine Artefakte treffen in ihren Arbeiten so auf massive und doch niedliche Formen. Sie bevölkern, spicken oder akzentuieren die fein gearbeiteten Oberflächen der Skulpturen und lassen ein absurdes, wenngleich bedeutungsvolles Zusammenspiel entstehen.

Doch die Unterbrechung der sanft polierten Oberflächen der Skulptur durch metallene Fremdkörper lässt erahnen, dass auf Wolke 7 doch nicht alles in Ordnung ist. Oder wie Adams besingt: “And that‘s when I knew, it was a pretty good sign/That something was wrong up on cloud number nine”.

In ihrer künstlerischen Praxis interessiert sich die Künstlerin vor allem für die Anfälligkeit und Verwundbarkeit des Körpers gegenüber der Außenwelt. Entlang der feinen, weichen Oberflächen gibt es nur einen schmalen Grat zwischen Schutz und Bedrohung, Frieden und Konfrontation. Angesichts der Pandemie kam der Aspekt kontinuierlicher Bedrohung des exponierten Körpers allen Menschen wieder ins Bewusstsein. Und so bleibt die „Cloud Number Nine“ am Ende mehr ein Vorschlag – hin zu einem fürsorglicheren Miteinander, in dem die Grenzen und Gemeinsamkeiten, Schwächen und Stärken von Körpern anerkannt werden.

(N.G)

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