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Fritz Bornstück

*1982 in Weilburg an der Lahn
Lebt und arbeitet in Berlin und Neuhardenberg

Garnitur, 2022/2023

Glasierte Keramik, Stahl, Siebdruckplatten
135 x 195 x 210 cm (3 Teile)
Leihgabe des Künstlers



Ein scheinbar verwahrloster Tisch mit weißen, teils mit farbiger Glasur verschmierten Fliesen und den dazugehörigen Bänken, bilden das im Werktitel als „Garnitur“ bezeichnete Ensemble. Auffällig ist dabei die Absenz von Menschenleben und die Präsenz von schimmernden Alltagsobjekten, die die Szene beleben. Diese, in teils absurden Arrangements platziert, rangieren von verformten Bierdosen, geöffneten Champagnerflaschen, verstreuten Zigarettenstummeln, Teelichtern, Essensresten, umgedrehten Gefäßen bis hin zu sich an den Tisch schmiegenden Textilien. Wer an dem Tisch gesessen hat und was sich dort zugetragen hat, lässt sich nur vage anhand der Hinterlassenschaften vermuten. Fritz Bornstück
(Foto: David von Becker, Berlin)

Diese Abwesenheit von menschlicher Zivilisation, die jedoch ihre Spuren auf die vorliegenden Relikte übertragen hat, bietet die Koordinaten für dessen Emanzipation. Sie zeichnen sich beseelt ab und gehen ein Zweitleben ein, indem sie den Raum der Installation einnehmen.

Die gewohnten Hierarchien werden umgewälzt und es bleibt nur die Frage, ob die Abwesenheit von Lebewesen in der Installation wichtiger sei als die Anwesenheit der Gegenstände.

Die alleinige Präsenz der Objekte lässt eine Brücke zur kunsthistorischen Gattung des Stilllebens spannen. Hierbei dient die skulpturale und malerische Reproduktion von Obst, Blumen, Musikinstrumenten, Tieren und Geschirr, der Übersetzung ihrer Materialität in ein Empfinden von Vergänglichkeit. Zwar erscheinen die Exponate von Fritz Bornstück der Zeit nicht zu unterliegen, jedoch kennzeichnet die Fragilität der Keramik dessen ephemere Eigenschaft. Oftmals lassen sich in den Werken des Künstlers Einflüsse von vergangenen Kunststilen, wie beispielsweise die Metaphysik von Alberto Savinio auffinden. Es ist demnach nicht erstaunlich, dass sich in der vorliegenden Installation ebenfalls Merkmale eines künstlerischen Genres – das des Stilllebens – feststellen lassen.

Eingebettet in die Architektur der Basilika St.Martin, ist eine Korrelation zwischen Bornstücks Werk und der christlichen Motivik des Letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci unübersehbar.

Da Vincis Gemälde beruht auf dem Johannesevangelium und bildet Christus, sitzend inmitten einer langen Tafel mit den zwölf Aposteln an dessen jeweiligen Seiten ab. In diesem Rahmen verkündet Jesus, was in den kommenden Stunden und Tagen passieren wird und sieht den an ihm begangenen Verrat voraus. Sowohl die Geselligkeit unter den Aposteln als auch die irdische Präsenz Jesu schweben in einem Zustand der Zerbrechlichkeit. Somit lässt sich in Leonardo da Vincis Wandgemälde sowohl die Fragilität, die ebenfalls den Keramikobjekten Bornstücks inhärent ist, als auch die irdische Vergänglichkeit von Artefakten, die in den Werken des Stilllebens dargestellt wird, aufzeigen.

Die Zerbrechlichkeit der Gegenstände im Werk von Bornstück ist ersichtlicht. Kann und soll sie aber auf den Menschen übertragen werden? Zeigt der Künstler gerade anhand der Immanenz der Objekte die Fragilität der Geselligkeit auf, die in dem Moment aufhört, wo sie Vergangenheit wird? Im Rückbezug auf die Corona-Pandemie, in der sich dieser Habitus deutlich gewandelt hat, stellt sich die Frage, ob der Gemeinschaft ihre einstigen Rituale abhandengekommen sind, oder ob sie neue Modi gefunden haben, sich zu äußern. Und wenn sie in der momentanen Vergangenheit liegt, was hinterbleibt von den Objekten, wenn sie dem Laufe der Zeit verfallen sind? Inwiefern gestalten die Überreste unserer Artefakte das, was nach der Beendigung ihrer Existenz kommt?

(E.T.)

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