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Mia Florentine Weiss

*1980 in Würzburg
Lebt und arbeitet in Berlin, Frankfurt und Los Angeles

LOVE HATE, 2019

Ambigramm Skulptur, Stahl
220 x 100 x 500 cm
Leihgabe der Künstlerin



“Man müsste eigentlich überall Kunst-Supermärkte eröffnen [...]” so die Mixed-Media-Künstlerin Mia Florentine Weiss in einem Interview. Kunst als Geistige Nahrung. Mia Florentine Weiss
(Foto: David von Becker, Berlin)

Ein Konzept, das seine Umsetzung 1964 als American Supermarket mit Künstlern, darunter Andy Warhol und Roy Lichtenstein, in der New Yorker Galerie Bianchini fand. Die Galerie wurde zum Supermarkt: Konservendosen wie Campbell´s Soup, mit Velour überzogenes Obst und Gemüse, Eier aus Wachs, Putzmittel und bedruckte Einkaufstaschen verzierten dessen Innenräume. Massenproduzierte Kunst zu einem erschwinglichen Preis.

Das Kunstwerk „LOVE HATE“ (LIEBE HASS) ist nicht nur als großformatige Skulptur an öffentlichen Schauplätzen wie dem Brandenburger Tor oder am Münchner Siegestor auffindbar, sondern auch im Kleinformat erwerbbar. Von bedruckten Kapuzenpullis, T-Shirts, Jogginghosen, Tennissocken, To-Go-Becher zu unterschiedlich großen Editionen der Skulptur. Der Gift-Shop auf der Website von „LOVE HATE“ erinnert an den American Supermarket und greift Aspekte von Konsum, Massenproduktion, künstlerischen Verbreitungsformen und Werbung auf, die kennzeichnend für die Pop Art sind.

Die Förderung von konsumistischen Verhaltensweisen, die in der Vermittlung dieses Kunstwerks auffindbar sind, dienen den Zielsetzungen der Künstlerin und lassen sich auf ihre Weltsicht zurückführen. Sie bekennt sich im bereits erwähnten Interview zur Kreativität als weltveränderndes Medium. Mittels der Kunst sei es möglich, eine Revolution zu starten, die zu einer “besseren” Welt führen soll. Was ist jedoch der effektivste Weg, Kunst bzw. gesellschaftliche Veränderung zu propagieren? In einer Welt, die zunehmende kartografische und politische Grenzen aufzeigt und die Interaktion zwischen den Ländern stärker eindämmt, erweist sich die Marktwirtschaft als effektivster sowie beständigster Kommunikationsweg. Demnach instrumentalisiert Mia Florentine Weiss die Mechanismen der Konsumgesellschaft, indem mittels der umfassenden Vervielfältigung des Kunstwerks – von der Künstlerin als Waffe bezeichnet – eine Umwälzung der aktuellen Weltlage ­initiiert werden kann. Somit wird der negative Begriff der Waffe durch eine Assoziation mit Kunst und der damit initiierten Veränderung zu etwas Positivem umgewandelt.

Dies ist auch die Quintessenz des Ambigrams „LOVE HATE“, das sich spiegelverkehrt auf der einen Seite als Love und auf der anderen Seite als Hate lesen lässt. Es entsteht eine Gegenüberstellung der Extremitäten menschlicher Gefühle. Dabei steht jedoch der Wandel im Fokus.

Durch die Veränderung der eigenen Position ist es den Besuchenden möglich, von der HATE-Seite in die LOVE-Seite zu wechseln und somit Hass in Liebe umzuwandeln. Die Skulptur wirbt für Engagement, Liebe und ermutigt die Bevölkerung, Veränderung selbst zu initiieren, indem sie die Möglichkeit aufzeigt, die Perspektive zu wechseln.

„LOVE HATE“, eine Skulptur, die nur aus zwei Wörtern besteht. Eine einfache Schriftart, die eine ebenso eindeutige und simple Botschaft vermittelt, wodurch sich ein weiterer Bezug auf die Pop Art aufmacht. Anfangs eine Weihnachtspostkarte des MOMA, anschließend eine Skulptur aus vier Buchstaben, die das Wort LOVE bilden. Die Korrelation zu Robert Indianas Werk ist eindeutig. Sowohl in der Form als auch in der Botschaft, bedienen sich beide Künstler*innen der Reduktion auf das Einfache, um unmittelbare Kunstwerke zu schaffen. Damit erzeugen sie eine starke Wirkung, die für alle zugänglich ist, insofern sie Grundthemen der menschlichen Existenz aufgreifen.

Die Künstlerin bestätigt: Wörter sind genauso wirkungsmächtig wie Taten. Zur Verwirklichung der Intention der Künstlerin, eine positive Weltveränderung erzeugen, wird die Skulptur – also das Wort – instrumentalisiert und in möglichst vielen Städten verbreitet. Demnach tourte die Skulptur durch die USA und Europa, stellte eine Verbindung zwischen den Städten her, in denen sie gezeigt wurde, regte Interaktionen zwischen den Besucher*innen an. Dabei verändert sich auch das Erscheinungsbild der Skulptur. Anlässlich der Europawahlen im Jahr 2019 begann die #LoveEurope Tour. Die Skulptur wurde vor dem Brandenburger Tor platziert und mit Haftnotizen beklebt, und so Träger von Botschaften für Europa. In anderen Städten wurde die Skulptur mit der Flagge Europas umhüllt. Die in Bingen gezeigte Skulptur hingegen greift die Farben des Regenbogens auf und symbolisiert somit Frieden, Toleranz und Akzeptanz mannigfaltiger Lebensformen. Sie setzt ein Zeichen gegen die Marginalisierung und Perpetuierung von LSBTIQ*-Feindlichkeit und Misogynie.

(E.T.)

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