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Käthe Kollwitz

*1867 in Königsberg, Preußen
+1945 in Moritzburg bei Dresden
Lebte und arbeitete in Berlin und Moritzburg

Mutter mit totem Sohn, 1937/1938

Bronze
38 x 28,5 x 29 cm
Sammlung Fritsch, Berlin



Ein Denkmal macht Furore Käthe Kollwitz
(Foto: Alamy Fotos)

Die Skulpturen-Triennale Bingen 2023 ist ein sehr interessanter Anlass zur Ausstellung der weltbekannten Originalplastik von Käthe Kollwitz „Mutter mit totem Sohn“. Gleichwohl ist er nicht der einzige, denn vor nunmehr 30 Jahren wählte der damalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl die Figurengruppe für die Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschlands für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft aus. 1993 zog sie nach zahlreichen fachkundigen Erwägungen in vierfacher Vergrößerung in den neugestalteten Innenraum der Neuen Wache ein.

Bereits 1937/1938 beobachtete die Künstlerin kritisch, in welche Richtung die Nationalsozialisten strebten. Ihre ablehnende Haltung gegen jede Form von Gewalt und ihre pazifistische Lebenseinstellung flossen ein in ihre Idee einer nachsinnenden Mutter, die ihren geliebten Sohn als Kriegsopfer verliert. Am 23.Todestag ihres Sohnes Peter schrieb sie in ihr Tagebuch: „Ich arbeite an der kleinen Plastik, die hervorgegangen ist aus dem plastischen Versuch, den alten Menschen zu machen. Es ist nun so etwas wie eine Pietà geworden. Die Mutter sitzt und hat den toten Sohn zwischen ihren Knien im Schoß liegen. Es ist nicht mehr Schmerz, sondern Nachsinnen.“ 1

Das fertige Werk widmete sie ihrem Sohn, der 1914 in den Anfangstagen des Ersten Weltkriegs gefallen war. Eine Darstellung im christlichen Sinn meinte die Zeit ihres Lebens gläubige Protestantin mit der Bezeichnung Pietà jedoch nicht, auch wenn sich ihre Tagebuchnotiz wie eine Vermischung christlicher und emotionaler Deutungsinhalte liest. Von der Pietà der befreundeten Bildhauerkollegin Frieda Winckelmann grenzte sie sich nämlich deutlich mit den Worten ab: „Aber meine ist nicht religiös!“

Neben dem kunsthistorischen Streit über den korrekten Werktitel in Abhängigkeit vom Kontext besteht bis heute eine andauernde Kontroverse über die postume Vergrößerung der Pietà. Auch hier ist Aufklärung notwendig.

Das lateinische Wort Furore bedeutet Leidenschaft, Aufsehen erregen und auch Raserei. Genauso wurde damals über die auf 1,60 m vergrößerte Version des Bildhauers Harald Haacke gestritten. Dazu muss man wissen, dass die Erben von Käthe Kollwitz der Vergrößerung explizit zugestimmt hatten. Und schon Kollwitz selbst hatte kein grundsätzliches Problem mit der Transformation ihres Werkes auf größere Dimensionen. Bereits 1926 äußerte sie im Rahmen der Aufstellung der Skulpturengruppe Trauernde Eltern auf dem Soldatenfriedhof in Belgien, dass es sie beglücken würde, wenn sie mit ihrem Werk sozusagen im Auftrag des Volkes sprechen würde.

Auch einer ersten Vergrößerung der Pietà noch zu ihren Lebzeiten stimmte Kollwitz zu. Diesbezüglich fragte sie ihren erstgeborenen Sohn Hans um Rat: „Was magst Du sagen zu Becks Wunsch, die Pietà etwa in doppelter Größe zu dem Denkmal seines verstorbenen Sohnes zu machen? Ich würde ihm den Wunsch sehr gern erfüllen…“ 2 Aus der Quelle geht auch hervor, dass die Künstlerin dem Wunsch des Kollwitz- Sammlers und Freund entsprochen und die Nachbildung vom Stuttgarter Bildhauer Schönfeld in Naturstein autorisiert hat. Noch heute befindet sich die Skulptur auf dem Waldfriedhof in Stuttgart-Degerloch.

Trotz allem taucht in den Medien immer wieder der Vorwurf auf, die Plastik sei durch moderne Computertechnik „aufgeblasen“. Es ist vielmehr an der Zeit, kunsthistorische Streitigkeiten zu beenden und Tatsachen anzuerkennen. Die intensive Auseinandersetzung über die Richtigkeit der Aufstellung dieser Plastik an diesem wichtigen Ort war und ist in einer Demokratie richtig und notwendig. Hätte man sich allerdings auf die eigenen Aussagen von Käthe Kollwitz konzentriert, so wäre der kunsthistorisch-unnötige Streit vermieden worden und die Akzeptanz für das Denkmal „Mutter mit totem Sohn“ von Anfang an größer gewesen. Aber auch so schenkt dieses Werk den jährlich eine Million Besucher*innen inmitten des Stadtlärms das Wichtigste, das ein Denkmal zu leisten vermag: Die Aura des Nachsinnens über Werte, die uns niemals verloren gehen dürfen.

(Gudrun Fritsch)

Quelle: “Hommage an/Homage to Käthe Kollwitz“, hg. v. Martin Fritsch, E.A.Seemann Verlag, 2005, S.136/137ff
1 Vgl.: Käthe Kollwitz: Tagebücher, hg. v. Jutta Bohnke-Kollwitz, 1. Auflage, Siedler Verlag, 1989, S.690
2 Vgl.: Käthe Kollwitz: Briefe an den Sohn 1904 bis 1945, hg. v. Jutta Bohnke-Kollwitz, Siedler Verlag, 1992, S.244

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