Lukas Glinkowski
*1984 Chełmno, Polen
Lebt und arbeitet in Berlin
Who's the fairest of them all?, 2020
Lukas Glinkowski, der an der Kunstakademie Düsseldorf bei Reinhold Braun und als Meisterschüler bei Katharina Grosse studiert hat, widmet sich in seinem Werk vor allem der Malerei. In seinen Gemälden lässt der Künstler häufig Bildwelten entstehen, die mit Versatzstücken aus urbanen Räumen sowie aus Filmen und Comics arbeiten. Ihn interessieren Orte, die die Alltagskultur ebenso wie die Pop-, Elektro- und Comic-Kultur wiederspiegeln, so beispielsweise öffentliche Toiletten und U-Bahn-Tunnel. Mit dem künstlerischen Blick auf architektonische und soziologische Strukturen untersucht er diese Räume als Abbild der Gesellschaft. Als Unterlage für seinen Malerei setzt der Künstler dabei anstelle von Leinwand immer häufiger Materialien wie Fliesen, Fototapeten, Holz, Glas und Spiegel ein. In den letzten Jahren hat Glinkowski sein Schaffen erweitert und lässt durch die Einbeziehung des Publikums neue Werke entstehen. In der 2017 in Köln gezeigten Ausstellung „I like disco & disco likes me“ beispielsweise setzte er sich mit seiner Diskojugend der 1990er-Jahre auseinander und gestaltete durch den Einsatz von weißen Fliesen, Waschbecken und Spiegeln den Ausstellungsraum in Anlehnung an die Ästhetik von Toilettenräumen in Diskos. Das Publikum war eingeladen, Kritzeleien auf den Wänden zu hinterlassen, um sich den Raum anzueignen und diesen authentischer erscheinen zu lassen.
Für die von Comic und Pop Art inspirierte Gestaltung der angedeuteten Spiegel in „Who's the fairest of them all“ (Wer ist die Schönste im ganzen Land?) wendet sich Glinkowski Figuren der Kinder- und Jugendkultur zu, wie Bastian Balthasar Bux aus „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende oder auch der Plastikpuppe „Barbie“. Die meisten dieser fiktiven Figuren, auf die die sechs Paneele verweisen, erreichten und erreichen ihre Popularität durch das Erscheinen auf verschiedensten medialen Kanälen. Wednesday Addams aus der „Addams Family“ beispielsweise wurde nicht nur durch den ursprünglich gezeichneten Cartoon, sondern auch durch die Fernsehserie, Filme, Musicals und ein Zeichentrickformat vermittelt. Indem der Künstler die Spiegelung des Betrachters mit den fiktiven Helden und Idolen der Pop- und Medienkultur verknüpft, verweist er auf verschiedene psychologische Modelle die diese beiden Akteure in Verbindung zueinander setzen. Dies ist zum einen der „Mere-Exposure-Effekt“. Menschen neigen dazu, eine Vorliebe für Dinge zu entwickeln, mit denen sie vertraut sind. Die Wirkung wurde an verschiedenen Objekten wie Wörtern, Gemälden, Bildern von Gesichtern, geometrischen Figuren und Geräuschen nachgewiesen; auf diese Weise entstehen auch „Ohrwürmer“. Ein anderer Ansatz zur Deutung des zwischenmenschlichen Verhältnisses ist die „Spiegeltheorie“, die besagt, dass, wenn wir das Verhalten anderer beobachten und analysieren, wir uns selbst in ihnen entdecken, also gewissermaßen in einen Spiegel blicken. Ein weiteres Verhalten, das sich gleichfalls im Umgang mit realen wie mit fiktionalen Figuren beobachten lässt, ist der „Chamäleon-Effekt“, die unbewusste Nachahmung von Gesten, Haltungen und Stimmungslagen, die sich für einen Außenstehenden besonders dann gut ablesen lässt, wenn Menschen in einem Gespräch ihre Körpersprache an die des Gegenübers anpassen. Wenn Kinder und Jugendliche auf der Suche nach ihrer eigenen Identität Idole und Helden auswählen und sich diesen durch Körperhaltung, Gestik und Kleidungsstil anpassen, entwickeln sie dann dadurch ihr eigenes „eigentliches“ Ich oder nicht? Was bedeutet es, wenn erwachsene Menschen Influencern in den sozialen Netzwerken nacheifern? Zeigt man dort sein „wahres“ Ich oder erschafft man ein idealisiertes Bild seiner selbst? Und was ist das „wahre“ Ich? All dies sind Fragen, die Glinkowski mit „Who's the fairest of them all?“ aufwirft.