Jeppe Hein
*1974 in Kopenhagen, Dänemark
Lebt und arbeitet in Berlin
Modified Social Bench #7, 2005
Modified Social Bench #9, 2005
Modified Social Bench F, 2006
Vor allem Kinder sehen in vielen Skulpturen instinktiv ein Klettergerüst. Da ist es manchmal schwer zu vermitteln, dass das Spielen und Klettern an einem Kunstwerk nicht erlaubt ist. Jeppe Heins „Modified Social Benches“ sind dagegen einer der wenigen künstlerischen Beiträge der Triennale, die die klassische räumliche Schwelle zwischen dem Betrachter und dem Objekt aufheben. Sie geben den Besuchern nicht nur die Erlaubnis, sondern laden sie sogar dezidiert dazu ein, die Skulpturen zu berühren und sich mit ihnen körperlich auseinanderzusetzen, anstatt sie nur visuell zu erfahren. Die in den Rheinanlagen aufgebauten „modifizierten, sozialen Bänke“ tragen dazu bei, dass Menschen aus der Überraschung über die unerwartete Form der Bänke staunend oder belustigt bei ihnen stehen bleiben, neugierig ausprobieren, ob sie auf diesen Bänken überhaupt sitzen können, und mit ihren Freunden oder sogar mit Fremden darüber kommunizieren.
Hein, der eine Schreinerlehre absolviert und an der Königlichen Dänischen Kunstakademie und an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste–Städelschule studiert hat, möchte mit seinen Arbeiten Freude vermitteln und Kommunikation und Dialog initiieren. Seine Kunstwerke können beispielsweise Sitzmöglichkeiten in einem Museum sein, die sich zu bewegen beginnen, wenn man sich auf ihnen niederlässt, oder Stahlkugeln, die sich, durch einen Sensor aktiviert, zu bewegen beginnen, wenn der Museumsbesucher den Raum betritt.
Hein konzentriert sich in vielen seiner Kunstwerke auf interaktive Merkmale, die künstlerische Fragestellungen mit soziologischen und gesellschaftspolitischen mischen und oft auch zu einer Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Kontext des öffentlichen Raumes auffordern.
Anfang dieses Jahrhunderts beobachtete der Künstler in seinem Heimatland Dänemark, dass viele Parkbänke aus dem öffentlichen Raum entfernt wurden, um Vandalismus zu verhindern. Auch werden öffentlich zugängliche Bänke immer häufiger leicht abschüssig konstruiert, damit Obdachlose nicht auf ihnen übernachten. Heins Bänke sind ein künstlerischer Kommentar auf dieses Phänomen. Einerseits bietet der Künstler mit seinen Bänken eine Möglichkeit zur Rast und zum Verweilen im öffentlichen Raum und erschwert diese zugleich, da man auf einigen der Bänke nicht wirklich bequem beziehungsweise wie gewohnt sitzen kann. „Modified Social Bench F“ beispielsweise sieht aus, also würde es sich seiner Funktion als Sitzgelegenheit völlig verweigern. Bedenkt man allerdings, dass viele Bänke gerade von jungen Menschen meist ganz anders genutzt werden als vorgesehen, wenn diese zum Beispiel auf der Rückenlehne sitzen und die Füße auf der Sitzfläche abstellen, dann erkennt man auch in Heins Bänken kreative Möglichkeiten, sich auf ihnen niederzulassen. Der Künstler verändert (modified = umgebaut, verändert) so nicht nur die Konstruktion der Bank, sondern damit einhergehend auch ihre gesellschaftliche Komponente (social = gesellschaftlich, sozial, gesellig).
Die Triennale erfüllt mit der Aufstellung der „Modified Social Benches“ in den zur Landesgartenschau 2008 neugestalteten Binger Rheinanlagen nicht nur den Anspruch des Künstlers, vielen Passanten die Möglichkeit einer Interaktion mit seinen Skulpturen zu bieten. Er regt sie auch dazu an, Ausstattung und Nutzung des öffentlichen Raumes spielerisch neu zu entdecken, zu hinterfragen - und ganz bewusst zu genießen.