Dorothea Nold
*1981 in Lörrach
Lebt und arbeitet in Berlin
Welterbe-Parkhaus, 2020
Dorothea Nold untersucht in ihrem Schaffen das Zusammenspiel von Architektur und urbanen Gesellschaften und setzt sich vor allem kontextbezogen mit der Umwandlung physischer und sozialer Räume auseinander.
Die Künstlerin, die in Paris studiert und im chinesischen Xi’an sowie in Istanbul gelebt hat, nutzte im Sommer 2019 in Berlin ein ungewöhnliches Format für ihr künstlerisches Anliegen, das bei einigen interessierten Passanten für Überraschung sorgen sollte und auch die internationale Presse berichteten ließ. Nold hatte an mehreren leerstehenden Flächen in zentraler städtischer Lage großformatige Immobilienanzeigen aufgestellt, die imaginäre Wohnungsbauprojekte bewarben. Sahen die Anzeigen aus größerer Entfernung noch glaubhaft aus, so zeigte sich aus der Nähe eine verspielt-bunte unrealistische Gestaltung der Gebäude. Auch ironische Textdetails wie der Name „Schark Immo“ in Anspielung auf den „Immobilien-Hai“ („shark“=Hai) verwiesen darauf, dass dieses Projekt eigentlich nicht real und ernst gemeint sein kann. Dennoch meldeten sich etwa 200 Kaufinteressenten unter der angegebenen Telefonnummer, um mehr über das Immobilienprojekt zu erfahren – die Künstlerin gab sich als Ansprechpartnerin des Immobilienbüros aus. Sie informierte über fiktive Zahlen und bot an, ein Dossier zu verschicken. Viele Interessenten erfuhren erst aus der Presse, dass sie mit einem Kunstprojekt in Kontakt gekommen waren. Der Mangel an erschwinglichem Wohnraum und die Dominanz von Immobilienprojekten international agierender Investoren waren die Thematiken, die den Plakaten in Berlin zugrunde lagen.
Auch für die Triennale in Bingen hat Nold eine Arbeit entwickelt, die an eine gewöhnliche Außenwerbung beziehungsweise eine Informationstafel im öffentlichen Raum erinnert. Das „Welterbe-Parkhaus“ bezieht sich dabei auf die Besucherströme zum UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal und hinterfragt, wie sich Städte heutzutage aktuellen urbanistischen Themen stellen. Das durch die Landesgartenschau 2008 entwickelte Rheinufer ist ein Besuchermagnet, der viele Einheimische, Menschen aus der Region sowie Touristen anzieht und dadurch zu Parkplatzengpässen in der Stadt führt. Zugleich ist Bingen ebenso wie andere Kleinstädte und Mittelzentren gefragt, mit vielfältigen Ansätzen gegen Leerstand im Einzelhandel anzugehen und individuelle Strategien zu entwickeln, um die Innenstadt stärker wiederzubeleben und neue Kunden anzulocken. Dabei stellt sich die Frage, wie eine Parkraumgestaltung, die ebenso den Mobilitätswandel berücksichtigt, in diese Überlegungen mit einbezogen werden kann.
Parken und Parkraumgestaltung ist ein aktuelles Thema. Dies hängt nicht nur mit neuen Technologien wie Parkplatz-Apps zusammen, sondern auch mit einem neuen Nachdenken über Nachhaltigkeit und Gestaltungsfragen. Aktuell gibt es in Deutschland knapp 48 Millionen zugelassene Personenkraftwagen. Parkhäuser entstehen dann im Zentrum, wenn sie auf das Bedürfnis der Autofahrer eingehen, die direkt dort parken möchten, wo die Einkaufs- und Unterhaltungsangebote sind und der Baugrund entsprechend teuer ist. Parkplätze und Parkhäuser vermeiden Parksuchverkehr und entlasten den öffentlichen Raum. In den letzten Jahren haben Stadtplaner vermehrt angefangen, Funktionen, Standorte und Zwecke von Parkplätzen zu untersuchen, um neue Lösungen zu finden, die Zeit beim Parkplatzsuchen ersparen, negative Auswirkungen des Parkens minimieren und anderweitig nutzbaren Platz im urbanen Umfeld schaffen. So haben Städte inzwischen beispielsweise angefangen, Parkplätze und Parkhäuser vielseitig für diverse Aktivitäten zu nutzen und somit zu öffentlichen Orten umzuwandeln, an denen man sich aufhält.
Die Autos, die die Künstlerin in das Motiv ihres Schildes eingearbeitet hat, verweisen ihrem Design nach auf die 1970er- und 1980er-Jahre und vermitteln dadurch nicht nur eine eigene Retro-Ästhetik, sondern deuten auch eine Zeit an, in der dem Auto ein höherer, frei von Klimabedenken geprägter Stellenwert zugeschrieben wurde und die autogerechte Stadt oft noch die Prämisse des Städtebaus war. Für die visuelle Vorlage des dargestellten Parkhauses hat die Künstlerin ein Modell aus Keramik, Pappe und Stoff geschaffen, dieses abfotografiert und am Computer mit Fotomontage erweitert. Nold erforscht mit ihren Keramiken die Möglichkeiten des Skulpturalen und untersucht anhand dessen nicht nur, wie Formen und Strukturen den Menschen prägen, sondern auch inwiefern diese der Architektur als Anstoß dienen können, um ästhetische und soziopolitische Fragen zu behandeln. Mit dem „Welterbe-Parkhaus“ regt die Künstlerin zum Nachdenken über mögliche Lösungen für die städtebaulichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts an und fordert dazu auf, sich eine eigene Meinung zu bilden.