Die Künstler
(1986)
Schachmatt
Die Arbeit „Schachmatt“ von Lucie Biloshytskyy entstand performativ während der Tage des Symposiums, als die Künstlerin die Hälfte der insgesamt 64 Schachfelder mit einer Größe von 1 x 1 x 0,3 Meter in Handarbeit aushob, während der Aushub der anderen Hälfte von einem Bagger vorgenommen wurde. In einer künstlerischen Umformulierung des Schachwettbewerbs von 1997, als der amtierende Weltmeister Garri Kasparow erstmals gegen eine Maschine verlor, griff die Künstlerin im Entstehen der Arbeit den Wettstreit mit der Maschine auf. Auch wenn ihr zeitlicher Einsatz wesentlich länger war als der des Baggers, so wurden doch die von ihr ausgehobenen Felder sorgfältiger und somit qualitativ hochwertiger bearbeitet. Biloshytskyy, der bewusst ist, dass die Arbeit nach Fertigstellung der Witterung ausgesetzt ist, entwickelt in ihrer Arbeit vielschichtige Bezüge zum Ausstellungsthema.
(1991)
Ohne Titel
Auch Nele Tepper, die aus getrockneter Fischhaut ein Abendkleid gestaltet hat, greift – in viel fragilerer Gestaltung – das Verhältnis von Handarbeit zu maschineller Produktion auf. Sie bezieht sich auf die Haute Couture, die sich durch Handarbeit und kostspielige Materialen auszeichnet, im Gegensatz zu der Prêt-à-porter-Mode, die, für Massenproduktion stehend, heute weitestgehend den Markt bestimmt. Ergänzt hat sie diese Skulptur durch Drucke und Kopien, die die Struktur der Fischhäute wiedergeben.
(1990)
Skintaste
Sabine Sellig verweist in „skintaste“ audio–visuell auf die den Menschen umgebende Natur und die ihn umgebenden Maschinen. Während die Struktur des Paraffin von einem Baum stammt und in dem fleischartigen Ton zugleich eine körperliche Erscheinung erhält, wird das Material wiederum von einem Lautsprecher mit technisch erzeugten tieftonalen Frequenzen, die mit dem Schiffsverkehr in Korrespondenz stehen, in Vibration gesetzt.
(1983)
Echoraum
Lena Buhrmann wirft in „ECHORAUM“ den Besucher auf sich selbst zurück. Ihr geht es um die Teilhabe des Besuchers. Wenn der Betrachter sich auf das Zurückwerfen des Tones, aber auch auf das Echo dessen, was man nicht sehen und hören kann, einlässt, hat die Arbeit die Wahrnehmung seiner selbst erweitert.
(1986)
Jungle Jim
Tugba Simseks „Jungle Jim“, das für das Wochenende der Vernissage auf dem Parkplatz des Edeka-Marktes an der Mainzer Straße aufgebaut war, lud zum Klettern ein. Simsek reagierte auf die auch in Bingen spür- und sichtbare Präsenz der „Maschine“ Auto, indem sie ihr das Klettergerüst, das dabei genau den dreidimensionalen Raum eines Parkplatzes umschrieb, entgegensetzte. Das Klettergerüst nahm dem Auto Raum und gab ihn dem Menschen.
(1978)
Street Sculpture
Noch temporärer als Simseks Arbeit war die soziale Straßenskulptur von Michael Lucero, die zu Beginn der Vernissage am 27. Juni von 16.00 bis 16.30 Uhr zu sehen war. Die räumliche und architektonische Intervention, die nur durch die Partizipation der Anwohner erfahrbar gemacht wurde, bestand aus der Öffnung möglichst vieler Fenster in der Vorstadt zwischen Tourist-Information und Salzstraße. Sie lenkte den Blick der Besucher auf die Straße, die Häuser, die Fenster und schuf ein gemeinsames Erlebnis.
(1990)
Site Storm
Auch Christopher Wierling lenkt mit „Site Storm“ – dem Sportplatz nach dem Sturm – gezielt den Blick des Betrachters auf einen vergessenen Ort im Binger Stadtraum. Die „leere“ Ecke von Salzstraße und Fruchtmarkt hat er mit Kunst „besetzt“. Dabei arbeitet er mit Objekten aus dem Sport wie rotem Sand, einem Tennisnetz, einem in seine Einzelteile zerlegten Trampolin sowie mit an die Wand montierten Fotos. Mit seinem Verweis auf die Sportwelt erinnert Wierling zugleich an die Wettbewerbssituation, wenn Menschen sich miteinander messen und ihre Leistung – Maschinen gleich – immer weiter optimieren.
(1988)
Antifestung
Poetisch im wahrsten Sinne ist Hendryk Claussens „Antifestung“, die sich von der Hospitalstraße ausgehend auf den Parkplatz der Mainzer Volksbank erstreckt. Der Künstler hat große Styropor-Buchstaben in nüchternem Schrifttyp an den Hauswänden befestigt. Um den lyrischen Text zu lesen, muss der Besucher sich bewegen und nimmt dadurch zwangsläufig die eigentümliche Architektur des Platzes wahr. So greifen räumliche Bewegung, Wahrnehmung des umgebenden Raumes und die Rezeption des Textes ineinander.